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Des Hundes Hund – Paul Klee

Normalerweise ist der Hund ein treuer Diener des Herrchen. Das hätte man auch so immer gesehen, wenn es – wie bei Paul Klee über die Jahre – keine Katzen gäbe.  Der Maler schätzte sie, denn sie brauchen keinen Herrchen. Und es ihm auch nicht im Sinn kommen, dass man um eine Katze tanzt. Um einen Hund schon. 

Und eben dies hat Paul Klee genau gesehen, als er 1925 den „Tanz um den Hund“ zeichnete. Genau genommen, ist nur jener Hund glücklich, als das Herrchen eher ungelenkig und traurig den Kasperl abzugeben versucht. Paul Klee mochte natürlich alle Tiere, nun gab sehr wohl zum Protokoll, dass in der Tierfreundschaft, die Katze für ihm immer den Vorrang hatte. Er selbst hatte – im Unterschied zu seinem Freund Franz Marc – keine Hunde, sondern Katzen, die er liebte ob ihrer Unabhängigkeit, sie immer um sich hatte und sehr oft porträtierte. 

Konsequent daher, dass er in seinen Bildern die Polarität Herrchen – Hund nicht selten umkehrte, so dass das Herrchen am Ende als ein Diener der Hundes aussah: deshalb versteht man auch den Titel dieses Blattes – des Hundes Hund. Ähnliche Umkehrung findet sich ebenfalls in der Radierung von Paul Klee aus dem Jahr 1932, wo er den Hund darüber wundern lässt, dass (und warum) sein Herrchen in Eile geriert: „Was läuft er?“ ist daher genauso ambivalent wie fast alle „tierischen“ Bilder Klees, die jetzt das Hauptthema der schönen Ausstellung bei den Internationalen Tagen in Ingelheim ist.

Sie öffnet mit einem Blick in zwei naturwissenschaftliche Schulhefte, die Paul Klee in den Jahren 1894 bis 1896 – also 15 bis 17-jährig – in dem Fach Zoologie führte: akribischen Zeichnung von Vögel folgen in dem zweiten Heft die genaue Studien (in Farbe) von wirbellosen Tieren. Es zeigt sich schon damals seine große Begabung für die Zeichnung, gepaart mit einer genauen Beobachtung der kleinsten Details. Nach bestandenem Abitur, zögert er zwischen Musik und Malerei – die Malerei obsiegt. Mit 19 schreibt er sich in einer privaten Münchener Zeichenschule ein, bald darauf in die Klasse von Franz von Stuck an der Münchener Akademie.

Die Enttäuschung aber ist groß – er der zweifelsohne ein genialer Zeichner ist, darf unzählige Stunden mit Kopieren nach antiken Mustern verbringen: rückwärtsgewandt, verstaubt, unendlich antiquiert, so empfindet er diesen Unterricht. Seine Werke sollten, wie er sich wünscht, neben jenen der Natur bestehen: „…Kunst ist ein Schöpfungsgleichnis“, schreibt er, resultierend aus der Verständnis der Gesetzmäßigkeit der Natur. Die Kunst ist nicht da, um Werke nach der Natur zu schaffen, sondern autonom, wie diese. Eine halbjährige Italienreise mit seinem Freund, dem Bildhauer Hermann Haller, verstärkt noch die Zweifel. Klee versteht, dass er seine Kunst radikal ändern muss. Zunächst folgt ein Rückzug in das Private – vier Jahre lang, dann Reise nach Paris – hier trifft er Sonia und Robert Delauney – bestärken ihn in seiner „Arbeit an der Reduktion“.  Im April 1914 ist er mit August Macke und Louis Moillet in Tunesien – der Weg zur Abstraktion zeichnet sich jetzt deutlicher den je.

1921 – nach einigen seiner sehr beachteten Ausstellungen in Deutschland – wird Paul Klee von Walter Gropius an Bauhaus berufen: für ihn eine Möglichkeit, die Rückkoppelung davon, was er zunächst nur intuitiv gespürt hatte – etwa die Betonung der Linie, die zugleich einen neuen Raum für die Imagination des Betrachters eröffnet, vorausgesetzt, er schaut genau hin. So können ein Paar Linien aus „Einem Boshaften Vogel“ „Einen höheren Vogel“ machen oder aus „Einem Fischräuber“ „Einen Fischdieb.“ Es ist spannend zu beobachten, dass Klee imstande ist, ein schon von ihm vor einigen Jahren bearbeiteten Motiv wieder aufzunehmen und ihm in einen ganz neuen Kontext zu setzen: es scheint, als ob der Fantasie keine Grenzen gestellt wurden, den „Hundscenen“ aus dem Jahr 1921 kann, 1933, eine bevorstehende Hundebestrafung folgen: „.. jetzt gibt’s Hiebe.“  Ob dahinter eine politische Anspielung an diese schwierige Zeit, wo Klee an der Düsseldorfer Akademie unterrichtete und kurz davor war, als entartete Maler zu gelten, ist nicht ausgeschlossen. Denn bald darauf wird er in die Stadt seiner Jugend –  nach Bern – zurückkehren, wohl wissend dass dem Schmach der nazistischen Kunstfunktionäre schlimmeres drohen kann.

In der Ingelheimer Ausstellung wird also sichtbar, wie wichtig Klees Unterschriften unter seinen Werken sind (nicht nur unter seinen Zeichnungen, sondern auch Lithographien und Gemälden): Im Bild „Ein Hund beschimpft arme Leute“ oder „von Noa(h) vergessen“ wird der tiefgründige Humor von Klee sichtbar, gepaart mit der Kenntnis der menschlichen Seele: ist die Inversion Mensch-Tier gelungen, erzählen diese Bilder eine monumentale Saga über die Charaktere des einen und des anderen. Die 130 Bilder in der Ausstellung sind nur ein kleiner Ausschnitt des enormen künstlerischen Reichtums dieses klugen und belesen Mannes.

Schwer krank, hat er im letzten Lebensjahr noch 1253 Werke geschaffen: sie sind nicht alle in der Präsentation der etwa 8000 Bilder von Klee im Internet vertreten. So ist diese schöne Zwiesprache zwischen Mensch und Tier und Tier und Mensch in Ingelheim etwas Einmaliges.

(Paul Klee, Tierisches, 61. Ausstellung Internationales Tage in Ingelheim, Altes Rathaus, bis 8.  November 2022. Katalog aus dem Hirmer Verlag kostet 24,90 Euro. Infos: www.internationale-tage.de)

Paul Klee
Konzert der Parteien, 1907, 14
Feder und Aquarell auf Papier, 24,2 x 33 cm
Zentrum Paul Klee, Bern


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